Baujahr: 1905 | Bauherr: Dr. med. Theodor Niemayer | Architekt: Curt Prager
Treppenhausgestaltung im Jugendstil
Blick auf den Hradschin um 1925
Original erhaltene Brandkatasternummer
1904 reichte Dr. med. Theodor Niemayer die ersten Pläne zur Errichtung eines Eckwohnhauses an der Hradschinstraße, Ecke Bergstraße ein. Niemayer war der Schwiegersohn des einflussreichen Plauener
Appreteurs Paul Pressler, der an der Hofwiesenstraße 2 eine der 12 großen Plauener Bleicherein, Färberein und Appreturanstalten betrieb. Die Planungen für das Gebäude sahen im Erdgeschoss eine
Arztpraxis und in den Obergeschossen großzügigen Wohnraum vor. Das Nebengebäude beinhaltete dabei einen Pferdestall mit Kutscherwohnung. Stilistisch ist das Ensemble im Jugendstil erbaut, wobei
das Erdgeschoss des Eckhauses bossiert und die Obergeschosse mit hellen Klinkern verkleidet sind. Die Sandsteine tragen dabei Jugendstilornamentik. Der exponierte Bauplatz brachte dem Bauherren
aber auch Probleme. Die Hradschinstraße war um 1900 von kleinen, niedrigen Wohnhäusern bebaut und wies eine nur geringe Breite auf. Um das neue Haus bauen zu können, mussten die Gebäude 3, 4, und
5 am Hradschin abgerissen werden. Auch die Nummer 6 wurde beseitigt, weil zur gleichen Zeit die große Treppenanlage zur Bergstraße von städtischer Seite errichtet wurde. Neben der Treppe war es
erforderlich eine Stützmauer zu finanzieren und die Baufluchtlinie zugunsten einer breiteren Fahrbahn nach hinten zu verlagern. Hinzu kamen Beschwerden der Nachbarn. Das moderne Haus, das über
Badezimmer und separate WC’s verfügte, wurde höher und versperrte dem Umfeld die Sicht. Nach Fertigstellung des Gebäudes eröffnete im Erdgeschoss Dr. Niemayer seine Praxis. Die Rechtsanwälte
Fröhlich und Dr. Petzoldt richteten sich im Obergeschoss je eine Kanzlei ein. Die Besitzverhältnisse und die Nutzung des Eckhauses blieben bis in die 1940er Jahre konstant.
Dr. Niemayer hatte vermutlich eine Tochter, die den Sohn des Gardinenfabrikanten Gustav Tegeler heiratete. Fortan war das Gebäude im Besitz der Familie Tegeler. Ein Bombentreffer beschädigte das
Dachgeschoss 1945. Dabei wurde insbesondere die hohe Turmspitze getroffen und der Dachstuhl brannte aus. In den Nachkriegsjahren begann Gertraud Tegeler mit der Instandsetzung der Bausubstanz,
bei der die ehemaligen Praxisräume zu Wohnraum umgebaut wurden. 1957 erfolgte eine Aufstockung. Die Firma Gustav Tegeler tätigte zu dieser Zeit Exportgeschäfte mit Finnland, Norwegen, Australien
und Westdeutschland, für die sie zusätzliche Räumlichkeiten benötigte. Zur Wendezeit ist Marie-Luise Schwarzott geb. Tegeler die letzte Eigentümerin des seit 1866 bestehenden
Familienunternehmens. Im Gewerbegebiet Neuensalz baute sie Mitte der 1990er Jahre eine neue Stickerei auf, wobei die hergestellte Ware am Hradschin 3 verkauft wurde. Die im seitlichen Erdgeschoss
befindlichen Räume verpachtete Schwarzott 1993 an einen Gastronomiebetrieb, der zu Anfang der 2000er Jahre als Hradschinwirt bekannt wurde, aber durch die allgemein schlechte wirtschaftliche Lage
bald wieder schließen musste. 2011 verstarb Marie-Luise Schwarzott und das Gebäude verwaiste. Mit der Generalsanierung im Jahr 2017 durch die Frank Müller GmbH erfolgte der Einbau von
hochwertigem Wohnraum. Alle Wohnungen erhielten Balkone oder Logien. Das Treppenhaus wurde dabei von der Hradschinstraße an die Rückseite Bergstraße verlegt. Das Erdgeschoss erhielt eine
Gewerbeeinheit.